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Artikel der Main Post am 15.12.2017 – Abends ist es nach wie vor etwas schwierig. Wenn der Arbeitstag bewältigt und das Abendbrot gegessen ist, wenn die Kinder endlich im Bett sind - dann denkt Dieter W. (Name geändert) immer noch oft: „Jetzt eine Zigarette, das wär's.“ Doch der 41-jährige Würzburger will nicht mehr rauchen. Deshalb nahm er im Oktober bei Therapeutin Petra Müller am Rauchfrei-Programm der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) teil. 25 Jahre blauer Dunst, findet der Techniker, sind genug.

Morgens gleich nach dem Aufstehen, in den Pausen bei der Arbeit und vor allem nach Feierabend: Die Zigaretten hatten einen festen Platz im Leben von Dieter W. Doch warum genau rauchte er zu welchen Anlässen? Dies sollten er und die anderen fünf Kursteilnehmer mit Hilfe von Registrierkärtchen, die in der Zigarettenschachtel steckten, herausfinden. „Bevor wir uns die Zigarette ansteckten, mussten wir einen Strich im entsprechenden Feld machen“, erklärt Dieter W. Auf diese Weise fand er heraus, dass „Stress“ und „Entspannung“ die Hauptgründe dafür waren, warum er zum Glimmstängel griff. 

Dieter W. hatte das Qualmen satt

Zehn Zigaretten rauchte Dieter W. meist am Tag. Wenn es allerdings rund ging im Job, wenn er sich stark unter Druck fühlte, dann konnte es auch mal die doppelte Menge sein. Doch ganz unabhängig von der Dosis: Dieter W. hatte das Qualmen satt. Ein Schlüsselerlebnis war, als er seinen kleinen Sohn „Papa“ spielen sah: „Er tat das mit einem Stift als Zigarette in der Hand.“ Nein. Seine Kinder sollten ihn nicht als Raucher „abspeichern“. Dieter W. begann, im Internet nach Ausstiegsangeboten zu suchen. Er stieß auf Buchempfehlungen. Hypnose. Akupunktur. Und eben auf das Angebot von Petra Müller. 

Als Leiterin der Beratungsstelle für Suchtprobleme der Caritas in Würzburg hat Müller eine Menge Erfahrung in der Behandlung von abhängigen Menschen. Die einzelnen Süchte haben zwar ihre Spezifika. So ist Alkoholsucht anderes gelagert als eine Abhängigkeit von Nikotin oder Glücksspiel. Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten, so die zertifizierte Trainerin für das Rauchfrei-Programm. Zum Beispiel, was das Verlangen nach dem, was süchtig macht, betrifft. 

Werde ich stark genug sein, um zu widerstehen?

Was tun, wenn der „Suchtdruck“ kommt? Diese Frage stellen sich alle Abhängige. Es ist eine Angst auslösende Frage: Werde ich stark genug sein, um zu widerstehen? Am Beispiel einer Ampel erklärt Petra Müller, dass es Abstufungen des Verlangens gibt. „Eine Zigarette wäre schön!“, ist noch ein vergleichsweise harmloser Gedanke: „Den kann man einfach wegschieben.“ Wird der Gedanke stärker, hilft oft ein Ortswechsel: „Es reicht meist, sich in ein anderes Zimmer zu begeben.“ Ein sehr starkes Verlangen ist schon schwieriger in den Griff zu bekommen. Um das in Zukunft zu bewältigen, ließ Müller die Teilnehmer einen „Notfallkoffer“ packen. 

Extrem starke Bonbons oder sonst etwas Scharfes kann helfen, über die „Welle des Verlangens“ hinwegzukommen. Während man damit beschäftigt ist, das Bonbon zu lutschen, ebbt die Welle allmählich ab. „Diesen Moment des starken Verlangens muss man einfach aushalten“, sagt Dieter W. Er schaffte es neulich zum Beispiel, sich so sehr in die Lösung eines Rätsels zu vertiefen, dass er den Scheitelpunkt des „Tsunamis“, wie er die „Welle“ nennt, überwinden konnte.

Die Teilnehmer traten auch untereinander in Kontakt

Nur drei Mal traf sich Dieter W. nach der ersten Info-Veranstaltung mit den anderen fünf Teilnehmern in der Gruppe. Schon das zweite Treffen war mit dem Rauchstopp verbunden. Kurz nach dem Stopp wurde jeder Teilnehmer von Petra Müller angerufen: „Wie geht es Ihnen?“ Die Teilnehmer traten auch untereinander in Kontakt. So schickte Dieter W. zwei Mitstreiterinnen aus dem Kurs am zweiten Tag nach dem Rauchstopp eine aufmunternde Mail. Nach nicht einmal drei Wochen merkt Dieter W. erste positive Effekte: „Ich kann viel besser Treppen steigen.“ Das spornt ihn an, durchzuhalten. Natürlich spart er auch eine Menge Geld. Die Kursgebühr von 185 Euro inklusive Material hat er inzwischen schon wieder drin, zumal die Krankenkasse den größten Teil der Kosten übernommen hat.

Alle arbeiten nun daran, einem Rückfall vorzubauen 

Dieter W. hat vor, weiter mit den anderen Teilnehmern über soziale Medien in Kontakt zu bleiben. Für ihn war es ohnehin spannend, zu erleben, dass Menschen, die ein völlig anderes Leben führen wie er, die teilweise deutlich jünger oder wesentlich älter sind, ganz ähnliche Probleme mit dem Rauchen haben wie er selbst. Alle hatten schon versucht, aufzuhören. Alle waren so weit, dass sie sich ein Leben ohne Zigarette nicht mehr vorstellen konnten. Alle arbeiten nun daran, einem Rückfall vorzubauen. Unterschiede allerdings gibt es in Bezug auf die Entzugssymptome. Dieter W. merkte körperlich keine Veränderung: „Das ist bei mir alles reine Kopfsache.“ Bei anderen Teilnehmern hat die Nikotinsucht jedoch durchaus eine körperliche Komponente. Ihnen empfiehlt Petra Müller, Nikotinersatzpräparate zur Unterstützung einzusetzen. Etwa Pflaster oder Kaugummi. Wie man diese Präparate richtig einsetzt, auch das ist Bestandteil des Kurses. 

Der nächste Kurs beginnt im Januar

Der nächste Rauchfrau-Kurs von Petra Müller beginnt am 23. Januar in Würzburg. Am 9. Januar findet um 18.30 Uhr eine Infoveranstaltung statt. Unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! kann Kontakt zu der Suchttherapeutin aufgenommen werden.

Pat Christ, veröffentlicht in der Main Post am 15.12.2017

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