„Von Anfang an war klar, dass das pulsierende Herz des politischen Projekts Europa nur der Mensch sein konnte.” Mit diesen anschaulichen Worten erinnerte Papst Franziskus jüngst die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union an die Unterzeichnung der Römischen Verträge. Der Optimismus vergangener Jahrzehnte ist der Ernüchterung gewichen. Um das vereinte Europa scheint es nicht sonderlich gut zu stehen: In Wahlkämpfen versuchen populistische Parteien Stimmung gegen die EU und eine scheinbar an den Menschen „vorbeizielende” Politik zu machen.
Besonders kontrovers wird die Frage diskutiert, wie wir in Deutschland, aber auch in Europa mit denjenigen umgehen, die zu uns geflohen sind. Von daher wird sich der diesjährige Bundestagswahlkampf nicht nur um Gerechtigkeitsfragen drehen, sondern auch um die Ideale, die unser Handeln und Zusammenleben prägen. Der Erfolg populistischer Kräfte beschäftigt viele. In Zeiten, in denen Menschen ihr Leben und das, was ihnen wichtig ist, als unsicher empfinden, haben einfache Lösungen Hochkonjunktur. Bei vielen treffen sie auf das Gefühl, abgehängt und von der Politik vergessen zu sein. Das Thema Flüchtlinge ist zu einem Katalysator für tiefer sitzende Sorgen und Ängste geworden. Es ist die Aufgabe der Politik und der gesellschaftlichen Kräfte, diese Befürchtungen aufzugreifen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen - aber sie nicht auch noch zu verstärken. Die Liste der anstehenden Themen ist lang und umfasst genauso Fragen der Integration wie die Debatte um das europäische Selbstverständnis.
Wir müssen uns mit anderen Meinungen auseinandersetzen
Im Vorfeld der Bundestagswahl werden wir mit der Caritas-Aktion „Wählt Menschlichkeit” beginnen. Dabei geht es nicht um eine Wahlempfehlung. Vielmehr wird es darum gehen, für die Werte und Ideale zu sensibilisieren, die unser Zusammenleben ausmachen. Von ihrem eigenen Selbstverständnis her setzt sich die verbandliche Caritas insbesondere für Menschen in Not ein. Unter dieser Prämisse gilt es, die Zusammenarbeit mit all denen zu suchen, die sich für zwischenmenschliche Solidarität einsetzen. Dazu gehört es aber auch, sich mit denjenigen argumentativ auseinanderzusetzen, die andere Meinungen vertreten. Dass es hierbei auch Grenzen gibt, liegt auf der Hand, insbesondere wenn antisemitische, rassistische oder religionsfeindliche Positionen und Ansichten vertreten werden. Denn ein Zusammenleben in Vielfalt kann nur gelingen, wenn wir einander in Offenheit und mit Respekt begegnen.
Prälat Dr. Peter Neher (Kommentar bei Caritas Deutschland)
Caritasaktion zur Bundestagswahl 2017: "Wählt Menschlichkeit"