„Meistens bin ich zu perplex, um etwas zu sagen“, „Gute Argumente kommen mir immer erst im Nachhinein“, „Ich reagiere viel zu emotional“. Die Antworten gingen in dieselbe Richtung, als Götz Kolle, Bildungsreferent an der Jugendbildungsstätte Unterfranken, die knapp 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fragte, warum sie zum Argumentationstraining ins Caritashaus gekommen sind. In einem waren sie sich alle ebenfalls einig. Etwas tun? Auf jeden Fall. Nur wie?
„Stoppschild-Methode“
Einen Königsweg im Umgang mit Stammtischparolen gibt es nicht, das machte Götz Kolle den Schülern und Studenten gleich zu Beginn deutlich. Im Laufe des Trainings erarbeitete er mit ihnen verschiedene Strategien und Argumentationsmöglichkeiten wie beispielsweise die „Stoppschild-Methode“, bei der sofort eingegriffen und Position bezogen wird, oder das „offensive Gegenfragen“, das hitzige Diskussionen ausbremsen kann. „Manchmal kann es auch sinnvoll sein, ein Gespräch abzubrechen oder zu verschieben“, erklärte der Referent. Fakten und Hintergrundwissen parat zu haben und auf Diskussionen vorbereitet zu sein, sei jedoch immer eine gute Wahl.
Dass es verkürzte Sichtweisen, Verallgemeinerungen und Übertreibungen – typische Kennzeichen von Stammtischparolen – nicht nur offline gibt, kam beim Thema „hate speech“ zur Sprache. Die vermeintliche Anonymität und die große Reichweite des Internets verlocken viele dazu, die Grenzen der Meinungsfreiheit zu überschreiten und ihren Hass auf Minderheiten und Menschengruppen im Netz zu verbreiten. Wie man gegen diese „hate speech“ vorgehen kann, erläuterte Kolle anhand nützlicher Infos und Links, gab jedoch auch Raum, eigene Erlebnisse mit der Gruppe zu teilen. Denn Erfahrungen – ob in der realen oder virtuellen Welt – hatte jeder von ihnen bereits gemacht.
Kein Richtig oder Falsch
Mit neuem Wissen, aber auch viel Selbsterkenntnis gingen die Teilnehmer aus dem Argumentationstraining, das youngcaritas dank der finanziellen Unterstützung von „Demokratie leben“ anbieten konnte. „Ich nehme mit, dass es kein Richtig oder Falsch im Umgang mit Stammtischparolen gibt“, hieß es da oder „Ich nehme mir vor, das nächste Mal einzuschreiten, wenn jemand im Bus abfällig über eine bestimmte Menschengruppe spricht.“
Aktiv werden konnte die Gruppe noch am selben Abend. Mit Bierdeckeln, auf denen Sprüche wie „Mein rechter rechter Platz bleibt leer“ oder „Mach mal 'nen Punkt“ prangten, zogen die jungen Leute durch die Würzburger Kneipenszene und fanden unter den Wirten und Gästen begeisterte Abnehmer. Auf ihren Erfolg konnten alle gemeinsam mit Katharina Samfaß und Esther Schießer, Projektkoordinatorinnen von youngcaritas Würzburg/Unterfranken, und Götz Kolle bei einem Feierabendgetränk anstoßen.