Dass Felix Benneckenstein vor nur fünf Jahren eine prägende Figur in der rechten Szene war, ist schwer vorstellbar. Nett und sympathisch kommt er rüber und entspricht mit Brille, Jeans und Sneakers so gar nicht dem Bild, das man von einem ehemaligen Neonazi haben könnte, einem, der randaliert und geprügelt, der Hass und Gewalt gesät hat. „Ich habe das mit der Glatze und den Springerstiefeln damals zwar ausprobiert, aber schnell festgestellt, dass es einfacher ist, Leute zu rekrutieren, wenn man nicht sofort als Nazi erkannt wird“, verriet er den Schülern der Montessori FOS und des Deutschhaus-Gymnasiums, die zum Aussteigergespräch gekommen waren. „Und bei den Mädels kam die Glatze auch nicht gerade gut an“, fügte der 30-Jährige mit einem Lachen hinzu und hatte die Jugendlichen sofort auf seiner Seite. Interessiert und fasziniert hingen sie ihm regelrecht an den Lippen, als er von seinem Weg in die Szene erzählte.
Rechte Musik
Über rechte Musik in seiner Clique sei er als Teenager irgendwie hineingeschlittert, damals im idyllischen Erding, wo er eine behütete und schöne Kindheit erlebt hat. Dieses „irgendwie“ beschreibt Benneckensteins Zeit als Neonazi wohl am besten. Immer wieder räumte er in dem zweistündigen Gespräch ein, dass er sich heute vieles selbst nicht mehr erklären könne. Warum „der Staat“ zu seinem größten Feind und Adolf Hitler eine Art Vorbild wurde. Warum er einen plötzlichen Hass auf Migranten entwickelt hat. Warum er das Gymnasium abgebrochen und von zu Hause ausgezogen ist, in die NPD eingetreten ist, die ihm schnell nicht mehr radikal genug war. Warum der Umsturz der Gesellschaft und der Kampf gegen den Staat zu seinem großen Traum wurde.
Ausstiegsgedanke und Rückfall
Das große Umdenken setzte – was ihn noch heute erstaunt – in seiner radikalsten Phase ein. Benneckenstein war mit seiner Freundin Heidi gerade erst nach Dortmund gezogen, in einen Stadtteil, der überwiegend von Neonazis bewohnt wird. Hier begann seine Ideologie erstmals zu bröckeln. „Ich habe angefangen, Dinge zu hinterfragen, mich mit Anführern zu streiten und musste fliehen“, erzählte er den Schülern. Zurück in München, spielten beide mit dem Gedanken auszusteigen. Doch es sollten Jahre vergehen. Jahre, in denen Felix Benneckenstein „rückfällig“ wurde, als Nazi-Liedermacher Karriere machte, private Schicksalsschläge zu verkraften hatte, von rivalisierenden Nazis krankenhausreif geprügelt wurde und im Gefängnis landete. Schließlich nahm er Kontakt zum Aussteigerprogramm „EXIT“ auf.
Neues Leben aufbauen
Was so ein Ausstieg bedeutet, führte er den Schülern deutlich vor Augen: Umzüge, Telefonnummern ändern, Facebook-Kontakte löschen, Freundschaften beenden, ein neues Umfeld aufbauen, bei null anfangen. Um anderen Aussteigern vor Ort mit seinen Erfahrungen zu helfen, gründete Benneckenstein den Verein „Aussteigerhilfe Bayern“, der heute mit „EXIT“ kooperiert. „In den vergangenen 15 Jahren hat EXIT über 600 Menschen beim Ausstieg aus der Szene geholfen“, sagte der 30-Jährige, der sich im Anschluss an seinen Vortrag vor Fragen kaum retten konnte. Was er von Bands wie „Freiwild“ hält, wollten die Jugendlichen wissen und wie er sein Leben über die Jahre finanziert habe. Wie seine Familie mit all dem umgegangen sei und ob er in seiner Neonazi-Zeit trotzdem Döner gegessen habe.
Aktueller Hintergrund
Katharina Samfaß und Esther Schießer von youngcaritas bedankten sich bei allen Teilnehmern für das große Interesse und bei Felix Benneckenstein für die interessanten – wenn auch erschreckenden – Einblicke in die rechte Szene. „Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in Bautzen war dieses Gespräch besonders wichtig“, betonten die beiden und dankten auch Stadträtin Laura Wallner, die zu Beginn der Veranstaltung einen kurzen Überblick über rechtsextreme Entwicklungen in Würzburg gegeben hatte.
Die Veranstaltung „Raus der rechten Szene – ein Aussteiger berichtet“ wurde unterstützt und gefördert vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“.
von Julia Eyrisch